Wie viele Wähler sind von einer Partei zu welcher Konkurrenzpartei gewechselt? Das kann man durch einen Vergleich der Ergebnisse von 2019 und 2024 bestimmen.
1) Leidtragender der zweitgrößten Wanderung in der Geschichte von Wählerstromanalysen war diesmal die ÖVP. Man verlor fast 450.000 Wähler, die beim letzten Mal vor allem für Sebastian Kurz gestimmt hatten, an die FPÖ. Was angesichts der hohen Unzufriedenheit mit der Bundesregierung und einer empfundenen Negativentwicklung Österreichs wenig überrascht.2) Die FPÖ war da der große Profiteur. Doch finden ganz große Wählerwanderungen seit Jahrzehnten vor allem zwischen ihr und der ÖVP statt. Mal gewinnt der Gigl, mal der Gogl. Was jedoch nicht übersehen werden darf: Herbert Kickl & Co. haben heuer auch mehr als 600.000 Nichtwähler von 2019 dazu bewegt, diesmal für die Freiheitlichen zu stimmen.3) Die SPÖ ist mit exakt derselben Strategie kläglich gescheitert. Insgesamt 180.000 Stimmen gingen an das Nichtwählerlager verloren. Im Saldo mit umgekehrt 60.000 mobilisierten Nichtwählern bleibt nach Adam Riese immer noch ein Defizit von 120.000 Stimmen. Das war der hohe Preis für eine ideologische Verengung: Andreas Babler gelang es mit seinem klaren Linkskurs, in den Städten Stimmen von den linksliberalen Grünen zu gewinnen. Mittiger orientierte Ex-Anhänger der SPÖ blieben dafür zu Hause.4) Angesichts der Regierungsunzufriedenheit war für die Grünen nicht viel zu holen. Eine Wiederholung des Rekordergebnisses von 2019 galt stets als utopisch. Das Problem ist jedoch, dass die Partei von Werner Kogler und Leonore Gewessler in alle Richtungen ausgelaufen ist: Man verlor jeweils Zehntausende Stimmen gleichermaßen an SPÖ und NEOS sowie an die KPÖ.5) Die NEOS haben das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Unterm Strich ist das gar nicht so sehr der Wählerwanderung von der stark verlierenden ÖVP zu verdanken, sondern die Zuwächse kamen seitens früherer Grün- und Nichtwähler. Bedenkt man, dass viele NEOS-Politiker eine Vergangenheit in der ÖVP haben, so wäre vermutlich mehr zu holen gewesen.Was das alles für die Zukunft bedeutet? Sollten sich FPÖ und ÖVP wider Erwarten auf eine Regierung verständigen, könnten sie einer gemeinsamen Mehrheit längerfristig sicher sein. Wenn nicht wieder ein Skandal dazwischenkommt. Die SPÖ muss sich bei ihren Zielgruppen verbreitern. Babler darf nicht bloß ein Messias für die linke reine Lehre sein. Die NEOS haben Luft nach oben, und die Grünen müssten ihr altes Image als Oppositionspartei zurückgewinnen.