Die Regierungsverhandlungen befinden sich in einer Pattstellung, sagt Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Auf der Suche nach einer Lösung kommen jetzt ungewöhnliche Vorschläge. Ausgerechnet aus dem blauen Lager wird eine Konzentrationsregierung aus allen fünf Parteien vorgeschlagen. Die „Krone“ geht der Frage nach, wie realistisch das ist.
Die Parteien blicken am Sonntag nach Vorarlberg, wo der Landtag neu gewählt wird und der ÖVP wie im Bund Verluste drohen. Urnengänge und neue Regierungskonstellationen in den Bundesländern werden die Verhandlungen in Wien mit Sicherheit beeinflussen. Im Ländle wird nach fünf Jahren Türkis-Grün eine türkis-blaue Zusammenarbeit nach der Wahl erwartet. Das wird vor allem von der – im westlichsten Bundesland sehr starken – Industrie gewünscht.Industrie tendiert zu Türkis-BlauStimmen für eine ÖVP-FPÖ-Koalition kommen auch aus den türkis-blau regierten Ländern Oberösterreich und Niederösterreich. Bei einem Gipfeltreffen der Industriellenvereinigung Niederösterreich und Oberösterreich mit den Landeshauptleuten Johanna Mikl-Leitner und Thomas Stelzer sowie 50 Vertretern führender Industriebetriebe im Landhaus in Linz wurde viel über die künftige Regierung debattiert. IV-OÖ-Präsident Stefan Pierer sagte dort unmissverständlich: „In der Schweiz bilden die zwei Stimmenstärksten eine Regierung, dazu braucht es keinen Van der Bellen.“„Konzentrationsregierung mit allen im Parlament“Auf Bundesebene geht sich Türkis-Blau derzeit aber nicht aus: ÖVP-Obmann Karl Nehammer will mit FPÖ-Chef Herbert Kickl nicht, die FPÖ will nicht ohne ihn. „Krone“-Kolumnist und Ex-FPÖ-Politiker Andreas Mölzer kommt nun mit einem neuen Vorschlag, wie dieses Problem gelöst werden könnte. „Die einzig sinnvolle Möglichkeit ist die Bildung einer Konzentrationsregierung mit allen im Parlament vertretenen Parteien nach dem Muster der Schweiz. Mit dem FPÖ-Chef an der Spitze und allenfalls einer der nachfolgenden Rotation im Kanzleramt. Für die Republik könnte das ein Segen sein“, so Mölzer.Proporz wurde in den 90ern abgeschafftDie Parteien sind dieser Idee gegenüber skeptisch. Eine Regierung aus allen Parteien kommt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als alle zusammengehalten haben und an einem Strang ziehen mussten. In den 90er-Jahren sind die Proporzregierungen in den Bundesländern sukzessive abgeschafft worden. Es gibt sie nur mehr in Niederösterreich, Oberösterreich und Wien, wobei in allen drei Bundesländern trotzdem Koalitionen gebildet werden. Die „Proporz“-Landesräte aus anderen Parteien haben wenig bis keine Kompetenzen oder nur eine Kontrollfunktion.Bei ÖVP und SPÖ wundert man sich darüber, dass die Idee einer Konzentrationsregierung ausgerechnet aus dem blauen Lager und das noch dazu aus Kärnten kommt – war es doch einst Jörg Haider, der gegen den Proporz angetreten ist. Und man schreibt Herbert Kickl süffisant ins Stammheft: Wer jahrelang alle anderen wüst beschimpft, alle Brücken abreißt und nur verbrannte Erde hinterlässt, braucht sich nicht wundern, wenn er hinterher keinen Partner findet.Für den Politikwissenschafter Peter Filzmaier hinkt der Vergleich mit der Schweiz. Denn dort habe es die Nazi-Zeit nicht gegeben und die Parteien haben im Gegensatz zu Österreich nie aufeinander geschossen. Dort hat man traditionell gemeinsam regiert. Wenn sich schon zwei oder drei Parteien schwertun, würde eine Fünfer-Koalition nur der kleinsten gemeinsamen Nenner schaffen. „Da kann man gleich eine Beamtenregierung machen.“