Alexej Nawalnys Ehefrau Julia hat die Autobiografie „Patriot“ nach Nawalnys Tod selbst fertiggestellt. Was in dem Werk deutlich wird: Ihr Ehemann hat auch in den dunkelsten Stunden seiner Haft, trotz Folter und Krankheit, seinen Humor und Optimismus bewahrt. Und doch: Alexej wusste, dass er eines Tages „allein im Gefängnis sterben“ würde.
Nawalna bezeichnet es als ein bedeutendes Zeugnis für den Mut des wichtigsten Oppositionellen gegen Kremlchef Wladimir Putin und für den Glauben an eine bessere Zukunft für Russland. Sie hat das mehr als 500 Seiten dicke Werk mit vielen Fotos der Familie und der politischen Auftritte selbst nach dem Tod Nawalnys fertiggestellt. Dabei habe sie „immer wieder lachen und weinen“ müssen, gab sie zu.Obwohl das Buch nicht in Russland veröffentlicht wird, erscheint es auf Russisch und in 19 weiteren Sprachen, darunter Deutsch (Verlag S. Fischer). Meilensteine seiner Karriere: Wer Nawalnys politische Karriere verfolgt hat, kennt viele Stationen des Buches. Und er kennt auch die beißend scharfe Kritik des Oppositionsführers – bei öffentlichen Auftritten vor Tausenden Demonstranten, in seinen Sendungen im Internet oder vor Gericht. Privates: Eindrücke vom Schicksal eines Mannes, der wie kein anderer mit unzähligen Enthüllungen ein mafioses System unter Putin anprangerte, aber auch von der Liebe zu seiner Frau Julia und seinen Kindern Dascha und Sachar getragen wurde. Werdegang: Nawalny erzählt, wie er als Kind eines Offiziers in der zerfallenden Sowjetunion über das Jurastudium und die Arbeit als Anwalt zum bedeutendsten Kämpfer gegen Korruption in dem Riesenreich wurde. Der Leser erfährt auch von Jugendsünden und Nawalnys Versuch, mit einer umstrittenen Zusammenarbeit mit Rechtsextremen Front zu machen gegen den Kreml. Über weite Strecken ist das Buch auch ein Nachschlagewerk, wie politische Graswurzelarbeit weitab westlicher Vorstellungen in einem autoritären System funktioniert – oder eben nicht. Wie es zu dem Giftanschlag kam: Der mit internationalen Preisen ausgezeichnete Nawalny schaffte es, ein breites politisches Netzwerk aufzubauen, mit seiner Anti-Korruptions-Stiftung die Mächtigen bloßzustellen, bis Putins Apparat immer stärker zur Gegenwehr überging. Nawalny schildert auch die zahlreichen Angriffe auf ihn, die mit dem Giftanschlag mit dem Nervengift Nowitschok 2020 in Sibirien ihren Höhepunkt erreichten. Warum kehrte er nach Russland zurück? Nawalny antwortet ausführlich auf die immer wieder gestellte Frage, warum er trotz drohender Inhaftierung und Todesgefahr von Berlin nach Moskau zurückgeflogen sei. Nur so könne er glaubhaft in seiner Liebe zu Russland sein. Alles andere wäre Verrat. Nawalny über seine Inhaftierung: „Mir war von Anfang an bewusst, dass ich lebenslang im Gefängnis sitzen werde“, heißt es an einer Stelle und an einer anderen: „Ich werde den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen und dort sterben. Es wird niemand da sein, von dem ich mich verabschieden kann.“ „Buch wird mein Denkmal sein“Nawalny selbst zeigt sich in dem Buch im Reinen mit sich. Er habe in seinem kurzen Leben selbst viel bewegen können, mehr als viele andere – und meint, dass das Buch, „falls sie mich endgültig erledigen sollten, mein Denkmal sein wird“.Nawalny starb am 16. Februar allein im Straflager „Polarwolf“ in der Arktisregion unter nicht geklärten Umständen. Tagelang weigerten sich die Behörden, seine Leiche herauszugeben, bis seine Mutter Ljudmila Nawalnaja in einem Videoappell an Putin die Erpressungsversuche öffentlich machte. Sie erreichte es letztlich, dass Nawalny am 1. März unter großer Anteilnahme Tausender Menschen in Moskau beerdigt wurde.