Spanien erlebt mit fast 160 Todesopfern die schwerste Flutkatastrophe des Landes seit 1996. Innerhalb eines Tages fiel am Dienstag in Teilen Spaniens so viel Regen wie sonst in einem ganzen Jahr. Der Bürgermeister eines betroffenen Ortes schildert nun die dramatischen Ereignisse.
Tausende Menschen gelten immer noch als vermisst, zahlreiche weitere befinden sich in lebensbedrohlichen Situationen. Zudem sind Hunderttausende Menschen ohne Strom, zahlreiche Straßen gesperrt, Brücken zerstört, der Zugverkehr lahmgelegt. Bilder von etlichen Fahrzeugen, die durch die Wassermassen zu Schrottbergen formiert wurden, gehen um die Welt.Bürgermeister: „Schlimmster Tag meines Lebens“„Autos und Müllcontainer flossen einfach die Straße hinunter“, schildert Ricardo Gabaldón, der Bürgermeister von Utiel, die Lage im spanischen Fernsehen. „Das Wasser stieg auf drei Meter an.“ Der vergangene Dienstag sei für ihn der schlimmste Tag seines Lebens gewesen. „Wir waren wie Ratten gefangen“, erinnert er sich an die ausweglose Lage.Fluss ging in wenigen Minuten über Der Fluss sei innerhalb von „drei bis vier Minuten“ über die Ufer getreten, berichtet etwa eine Bewohnerin des Dorfes L‘Alcudia in der besonders stark betroffenen Region Valencia dem spanischen Sender TVE. „Die ganze Landschaft hat sich in sehr kurzer Zeit komplett verändert.“ Unzählige Straßen verwandelten sich blitzschnell in reißende Ströme.Die Einwohner der Region beklagen vor allem die kurze Vorbereitungszeit auf die Katastrophe, obwohl Wetterdienste die gewaltigen Regenmengen vorhergesagt hätten.Waren Warnungen zu zögerlich?Tatsächlich gingen Warnungen des Zivilschutzes am Dienstag gegen 20.10 Uhr an die Handys aller Menschen in der Region Valencia, wie der staatliche Rundfunksender RTVE rekonstruiert. Doch die Warnungen des Zivilschutzes seien dann erst am Abend erfolgt, als erste Flüsse bereits über die Ufer getreten waren. Viele Menschen waren trotz der Unwetter in ihren Autos unterwegs und liefen damit Risiko, liegenzubleiben oder von der Strömung weggerissen zu werden.Dabei habe es aber schon Stunden vorher zu regnen begonnen, merkte die Zeitung „El País“ an. Und schrieb weiter: Der Wetterdienst Aemet habe bereits am Dienstagmorgen gegen 7.30 Uhr die höchste Warnstufe ausgerufen, was sehr hohe Gefahr bedeutet.Regenmengen biblischen AusmaßesMancherorts fiel innerhalb eines Tages so viel Regen wie sonst in einem Jahr – in einigen Orten der Region Valencia Aemet zufolge bis zu 400 Liter pro Quadratmeter. Einzelne Stationen meldeten gar sogar bis zu 600 Liter Wasser. Menschen, Autos und Bäume, aber auch Infrastruktur wurden in den Fluten mitgerissen. Vielerorts gab es große Verwüstung. In acht Stunden fiel mehr Niederschlag als beim jüngsten Hochwasser in Österreich innerhalb von fünf Tagen.Auslöser für die Unwetter in Spanien war das Wetterphänomen „Kalter Tropfen“ (gota fría). Es tritt in der spanischen Mittelmeerregion in den Monaten September und Oktober häufig auf und basiert auf stark schwankenden Temperaturen von Meer und Luft. Das Phänomen entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben – bedingt durch den Klimawandel hat sich das Phänomen dieses Mal deutlich verstärkt. Region klagte zuvor über katastrophale Dürre„Die Menschen waren zunächst sogar sehr glücklich“, erinnert Remedios, der eine Bar im spanischen Utiel in Valencia besitzt, an die Stunden vor der Jahrhundertflut. Die Region hatte zuletzt unter Dürre und Wasserknappheit gelitten, der am Dienstag einsetzende Regen sorgte zunächst für Erleichterung.„Aber um 12 Uhr mittags brach der Sturm dann richtig über uns herein und wir hatten alle ziemliche Angst“, fährt Remedios im Gespräch mit dem „Guardian“ fort. Die Stimmung kippte innerhalb kürzester Zeit, als der Barbesitzer und seine Kunden den Ernst der Lage erkannten. Ein 73-Jähriger habe ihm gesagt, er habe eine solche Katastrophe in seinem ganzen Leben noch nicht erlebt, berichtet Remedios über die Flut.Rettungskräfte im Dauereinsatz„Die Situation vor Ort ist dramatisch“, sagte Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes. „Hunderte Kolleginnen und Kollegen vom Spanischen Roten Kreuz sind rund um die Uhr im Einsatz, um die Folgen der Katastrophe für die betroffenen Menschen zu lindern. Die Rettungskräfte sind für Verletzte im Dauereinsatz. Jetzt ist es wichtig, Solidarität zu zeigen und das Rote Kreuz in seiner wichtigen Arbeit zu unterstützen.“Noch keine Infos über betroffene ÖsterreicherDas österreichische Außenministerium hatte keinen Hinweis darauf, dass Österreicherinnen bzw. Österreicher von der Katastrophe betroffen sind. „Es liegen uns aktuell keine Informationen“ darüber vor, sagte eine Sprecherin. „Die österreichische Botschaft in Madrid steht mit einer Handvoll österreichischer Reisenden in Kontakt, die sich aktuell in den von den Unwettern betroffenen Regionen in Spanien aufhalten. Sie sind alle wohlauf.“ Betroffene können sich jederzeit an die Notfallnummer des Außenministeriums (+43 501150-4411) wenden.