Als Aktiver schaffte es der Norweger Kjetil-Andre Aamodt zur Legende: Der 53-Jährige holte bei alpinen Ski-Großereignissen 20 Medaillen, errang vier Olympiasiege und vier WM-Titel, holte obendrein den Gesamt-Weltcup 1993/94. Die „Krone“ traf Aamodt in Oslo, plauderte mit ihm über das Comeback Marcel Hirschers, die WM in Saalbach und seine Pläne.
„Krone“: Kjetil, die Comeback-Saison begann für Marcel Hirscher mit Platz 23 beim Riesentorlauf in Sölden. Hat dich seine Rückkehr überrascht?Kjetil-Andre Aamodt: Ja, eigentlich schon. Ich kann mich aber sehr gut in Marcel hineinversetzen. Er war 30 und damit fünf Jahre jünger als ich, als er 2019 aufhörte – vielleicht zu früh. Und verspürt nun offenbar wieder den Kick.Du hattest im Jänner 2007 mit 35 Jahren deine Karriere für beendet erklärt.Ja, ich hatte 2006 bei Olympia in Turin im Super-G Hermann Maier besiegt, meine letzte von 20 Medaillen bei Großereignissen geholt. Es war nach vielen Problemen aufgrund von Verletzungen ein überwältigendes Gefühl. Doch nach einer weiteren Knie-Operation entschloss ich mich Anfang 2007 zum Rücktritt. Daheim warteten meine Frau und unsere damals kleine Tochter – der Zeitpunkt fühlte sich einfach gut an.Ein Comeback war nie ein Thema?Im Kopf schon, aber ich bin sehr froh, nicht schwach geworden zu sein. Ich hatte 20 Medaillen errungen, vielleicht wäre es noch eine 21. oder 22. geworden – doch ich war nicht bereit, mein Leben dafür zu riskieren.Hat Hirscher eine Chance, nochmals zu gewinnen?Ich glaube an Marcel, er ist ein fantastischer Athlet. Ich freue mich auf ihn, auch wenn er vielleicht nur für eine Saison zurückkehren wird. Er wird einige Rennen brauchen, um wieder reinzufinden. Aber im Laufe der Saison wird Marcel bestimmt um den Sieg mitfahren – davon bin ich überzeugt.In diesem Zusammenhang wurde auch viel über die eingeführte Wild Card diskutiert.Ich halte das im Falle von Hirscher für eine sehr gute Sache. Er hat den Skisport mit den acht Gesamtweltcup-Titeln in Folge geprägt, sich diese Chance absolut verdient. Wie auch unser Lucas Braathen, der nun für Brasilien startet. Die Norweger lieben Lucas, wir werden ihn weiterhin anfeuern – ich hoffe, das macht ihr Österreicher auch bei Hirscher.Einen Sieg, den Du gern gefeiert hättest...... natürlich jenen in der Abfahrt von Kitzbühel! Ich fuhr dreimal aufs Podium, war nah daran am Sieg. Da haben bei mir eventuell auch die letzten, nötigen Prozent an Risiko gefehlt. Ob Kitz, Wengen, Adelboden oder Schladming – ich liebte all diese Klassiker. Doch meine Spezialität waren Olympia und WM – meine ganze Energie dafür zu investieren, bereitete mir unglaublich viel Spaß.Wirst Du bei der WM 2025 in Saalbach vor Ort sein?Ja, ich bin Experte fürs norwegische TV, während des Weltcups besetzen wir keine Rennen in Österreich. Doch in Saalbach werde ich dabei sein, jenen Ort, wo es für mich 1991 so richtig los ging. Ich war 19, gewann meine erste Medaille, Silber im Super-G hinter Stephan Eberharter. Ich freue mich riesig auf die Rückkehr, am Ort vieler sehr schöner Erinnerungen...... die da zum Beispiel wären?Dass ich am Abend nach dem Super-G neben Stephan Eberharter im ORF-Studio saß, er mit der Ziehharmonika über den Schultern. Danach stürzte ich wie auch mein Landsmann Lasse Kjus im Abfahrts-Training, so endete unsere erste alpine WM im Krankenhaus, ich weiß auch noch die Zimmernummer: 1313!Dein Blick reicht um einiges weiter, ins Jahr 2029….Ja! 2008 startete die norwegische Skimarke Stereo Ski, zunächst im Freestyle, inzwischen bringe auch ich meine Ideen ein, sind wir dabei, einen Ski für den alpinen Weltcup zu produzieren. Wir haben kein Red Bull hinter uns wie Hirscher mit Van Deer und auch keine Fabrik in Norwegen, arbeiten mit Partnern in Schweden und Italien, vielleicht auch bald in Österreich.Wie ist der Status quo?Wir tasten uns vorwärts, testen viel mit jungen norwegischen Talenten, müssen parallel am Markt wachsen. Das kann nur gelingen, in dem wir beginnen, Ski zu verkaufen, eine finanzielle Basis schaffen.Wie lautet das Ziel von Stereo Ski?Bei unserer Heim-WM 2029 in Narvik mit einem norwegischen Lokalmatador am Start zu stehen. Der Letzte, der auf norwegischen Skiern WM-Gold gewann, war Stein Eriksen 1954 in Aare. Doch wir überstürzen nichts, brauchen noch etwas Zeit. Es macht für mich nur Sinn, wenn ich das Gefühl habe, dass man auf diesem Ski auch gewinnen kann.