Vegan leben ist ungesund? Eines von vielen Vorurteilen, die „Vegan-Doc“ Dr. Markus Kolm und Dr. Ronny Tekal ausräumen können. Sie liefern auch gleich gute Argumente für pflanzenbasierte Kost und finden: Sich vegan zu ernähren, ist gar nicht so kompliziert.
Veganismus beschreibt eine Ernährungsweise, die rein auf pflanzlichen Lebensmitteln basiert und der alternativen Ernährungsform zugerechnet wird. Es bedeutet, zu Produkten zu greifen, die schonend mit Lebewesen umgehen. Viele Veganer lehnen daher nicht nur Lebensmittel tierischen Ursprungs ab, sondern verzichten auch auf Erzeugnisse wie Leder, Pelz oder Daunen. Etwa ein Prozent der Österreicher bekennt sich dazu.Mittlerweile wird diese Anschauung auch in der breiten Bevölkerung häufig diskutiert und findet immer mehr Anhänger, wenn auch die meisten Menschen, die sich fleischlos ernähren, Vegetarier sind (bereits mehr als acht Prozent der Österreicher). Aber ist ein veganer Alltag überhaupt möglich? Gibt es gesundheitliche Bedenken? Kann man wie alle anderen im Supermarkt einkaufen?Damit hat sich Dr. Markus Kolm, Allgemeinmediziner und Notarzt in Wien, wissenschaftlich, medizinisch und persönlich auseinandergesetzt, im veganen Lebensstil seine Erfüllung gefunden. Zusammen mit Dr. Ronny Tekal, Allgemeinmediziner, Medizinkabarettist (erfolgreich im Duo mit Norbert Peter als Peter&Tekal) und Radiomacher bei Ö1, gehen sie im Buch „Der Vegan-Doc“ (Kneipp-Verlag, ISBN: 978-3-7088-0854-3) allen relevanten Inhalten zum Thema nach.Ist es schwer, vegan zu leben?Markus Kolm beantwortet diese Frage von Ronny Tekal, so: „Jede Veränderung kostet Kraft. Die bis dato erlernte und gewohnte Ernährung abzuändern, bedeutet anfangs einen gewissen Aufwand. Wenn man sich jedoch dazu entschieden hat, keine tierischen Produkte mehr zu konsumieren und man seinen Alltag durch diesen Filter zu sehen beginnt, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten. Mit der Zeit kennt man im Supermarkt die Produkte und weiß, wohin man greifen kann.“Der deutsche Experte Dr. Markus Keller, der sich seit rund 25 Jahren für die Erforschung und wissenschaftliche Bewertung pflanzenbasierter Kostformen einsetzt (Eigendefinition „weltweit erster Professor für vegane Ernährung“), definiert es im Vorwort des Buches so: „Vegane Ernährung ist alles andere als nur der Verzicht auf tierische Produkte. Es geht vielmehr darum, bewusster zu essen, sich mit den Lebensmitteln, die man zu sich nimmt, auseinanderzusetzen. Das Meiden von tierischen Lebensmitteln trägt zur Verringerung unseres ökologischen Fußabdrucks erheblich bei, sei es beim Thema Landnutzung, Wasserverbrauch oder Treibhausgase. Allein das ist für viele Menschen schon ein guter Grund, sich für eine pflanzenbasierte Kost zu entscheiden.“Und warum müssen Alternativprodukte so aussehen und schmecken wie ein Schnitzel oder eine Wurst?„Auch ich bin ernährungsmäßig, kulturell und sozial geprägt. Ohne einer ordentlichen Portion Gewürze würden übrigens auch viele Fleischprodukte kaum Abnehmer finden. Mir schmecken die Dinge, die hierzulande als ,Hausmannskost’ bekannt sind. Nur weil ich aus ethischen Gründen auf tierische Produkte verzichten will, muss ich nicht auch auf den Geschmack verzichten“, erklärt Kolm.Das Siegel „V-Label“ (Vegi-Label) ist eine international geschützte Marke und kennzeichnet vegetarische (mit dem Schriftzug Vegetarisch) und vegane (mit dem Schriftzug Vegan) Lebensmittel. Es findet sich bisweilen auch beim Eingang von Restaurants oder auf der Speisekarte.Ist vegane Ernährung überhaupt gesund? Dr. Keller antwortet: „Als Ernährungswissenschaftler ist dies nicht eindeutig zu beantworten. Eine rein pflanzliche Ernährung kann sehr gesundheitsfördernd sein, wenn sie vollwertig und abwechslungsreich zusammengestellt wird. Besonders die ausreichende Versorgung mit kritischen Nährstoffen wie Vitamin B12, Kalzium, Eisen, Zink oder langkettigen Omega-3-Fettsäuren muss sichergestellt sein, um keine gesundheitlichen Schäden davonzutragen. Einige dieser Nährstoffe kommen in Pflanzen nicht, in geringeren Mengen oder in niedrigerer Bioverfügbarkeit vor. Dennoch kann die Zufuhr durch eine gut geplante und geschickte Lebensmittelauswahl sowie eine sinnvolle und notwendige Nahrungsergänzung sichergestellt werden.Zusätzlich kann der Status besonders relevanter Nährstoffe regelmäßig durch Blutuntersuchungen überprüft werden. Derartige Kontrollen können helfen, potenzielle Mängel frühzeitig zu erkennen und gezielt zu beheben.“ Denn man kann als Veganer auch sehr ungesund und ohne Qualitätsanspruch essen, Stichwort „Pudding-Veganer“ (Fertiggerichte, Süßspeisen, Softdrinks). Dagegen zeigen internationale Studien einen positiven gesundheitlichen Effekt von Pflanzenkost auf Bluthochdruck, Cholesterinspiegel, Gelenke, Gewicht und Wohlbefinden.Veganismus muss nicht teuer seinWie man es richtig macht? Das beginnt schon beim Einkaufen. Übrigens stimmt das Vorurteil nicht, dass vegane Lebensweise nur etwas für Besserverdiener ist, im Gegenteil. Im Zuge einer Studie aus 2022, durchgeführt vom gemeinnützigen Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE), in der die fleischlose Variante von 20 deutschen Lieblingsgerichten auf deren Kosten hin analysiert wurde, entpuppten sich die pflanzenbasierten Varianten als um 30 Prozent günstiger bei gleicher Nährwert-Qualität.Mittlerweile ist es nicht mehr notwendig, spezielle Geschäfte aufzusuchen. Auch im Supermarkt gibt es ausreichend Produkte, die für Veganer infrage kommen. Am einfachsten wird man in der Obst- und Gemüseabteilung fündig. Auf saisonalen, regionalen und biologischen Produkten zurückgreifen.Das gehört auf die Einkaufsliste: Haferflocken (Quelle für Protein, Eisen, Zink; enthalten reichlich Ballaststoffe) Hirse (proteinreich, Mineralstoffquelle, Vitamin B1-, B2-, B6-Quelle) Tofu (Proteinquelle, Kalziumquelle, wenn mit Calciumsulfat produziert), Eisen Bohnen, inkl. Sojabohnen (Proteinquelle, reich an Eisen und Zink, wertvolle Cholinquelle) Süßkartoffeln (Beta-Carotin als Vitamin A-Vorstufe) Karotten (Beta-Carotin, wird gekocht und püriert mit etwas Fett gemeinsam besser aufgenommen) Nüsse, ungeröstet und ungesalzen (Geschrotete) Leinsamen, Sesamsamen, Kürbis- und Sonnenblumenkerne Hülsenfrüchte Bei Brot- und Getreideprodukten statt Weißmehl jene mit hohem Anteil an Roggen-, Dinkel- oder Weizenvollkorn bevorzugen. Pflanzendrinks auf Basis von Soja und Erbsen verbessern die Proteinzufuhr. Margarine auf Lein- oder Rapsölbasis bevorzugen statt jene mit Kokos- oder Sonnenblumenöl. Aus ökologischen und auch gesundheitlichen Gründen auf Palmöl verzichten. Für die Zubereitung vom Milch-Getreide-Brei spezielle Säuglingsanfangsnahrung (Pre-Milch) auf Sojaproteinbasis einsetzen. Sie ist speziell auf die Bedürfnisse von Säuglingen zugeschnitten. Keine handelsübliche Soja- oder Pflanzenmilch aus dem Supermarkt benützen!Darf man Kinder vegan ernähren?Dr. Kolm bestätigt, dass es durchaus möglich ist, mit pflanzenbasierter Kost gesund aufzuwachsen. Allerdings müssen dabei wesentliche Dinge beachtet werden, allen voran, dass Kinder ausreichend Kalorien für ihre Entwicklung bekommen. Dafür sollte ihre Ernährung einen höheren Anteil an Hülsenfrüchten und Getreide enthalten als Gemüse und Obst. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass Kinder genug Protein zuführen. Gute Quellen sind Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Nuss Mus.Die Kombination verschiedener Eiweißquellen erhöht die Proteinqualität und sorgt dafür, dass alle Eiweißbausteine (Aminosäuren) aufgenommen werden können. Eltern müssen ein solides und umfangreiches Wissen über Nährstoffe haben und sollten diese Informationen am besten durch Ernährungsprofis und regelmäßige ärztliche Kontrollen ihrer Kinder untermauern. Empfohlen werden Blutuntersuchungen von 6-12 Monaten (Vitamin B12 bzw. dessen aktive Form Holotranscobalamin, Eisenwerte Ferritin und Transferrinsättigung) sowie ab dem ersten Lebensjahr zusätzlich Zink, Selen, die Ausscheidung von Jod im Verhältnis zu Kreatinin im Harn, Fettsäureprofil (Omega-3-Fettsäuren, Vitamin-D-Spiegel).