Bis Jahresende sollen 500 Stellen wegfallen! Diese Zahl sickerte kurz nach Eröffnung der drei Insolvenzverfahren bei KTM durch. Ein erstes Indiz dafür, dass die Sanierung des Motorradherstellers viele Jobs kosten wird. Das Arbeitsmarktservice bereitet sich auf einen Ansturm bei den Arbeitslosmeldungen in der Region vor, weil auch viele Zulieferbetriebe nun ins Wanken kommen.
Mehr als 3600 Mitarbeiter sind bei den drei von der Insolvenz betroffenen Gesellschaften – der KTM AG, der KTM Components GmbH und der KTM Forschungs & Entwicklungs GmbH – beschäftigt. Ihnen blieb der Motorradhersteller die November-Gehälter und das Weihnachtsgeld schuldig, die nun mit Verspätung der Insolvenzentgelt-Fonds überweisen wird, dazu kommt die Ungewissheit, wie es weitergeht.Wir sprachen mit Iris Schmidt, der Geschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Oberösterreich, das sich auf einen starken Zuwachs an Arbeitslosmeldungen vorbereitet. „Krone“: Die Insolvenzanmeldung von Motorradhersteller KTM kommt in der Region Braunau einem Erdbeben gleich. Von den mehr als 3600 Mitarbeitern bei den betroffenen Betrieben sollen bis Jahresende 500 gehen müssen. Wie geht das AMS damit um?Iris Schmidt: Es ist jetzt noch gar nicht klar, welche Dimension das tatsächlich haben wird, wie viele Menschen letztlich freigestellt werden, weil ja erst in 90 Tagen feststeht, ob der Sanierungsplan Zustimmung findet. Fakt ist: Sehr viele Zulieferer sind von dieser Situation betroffen und wissen auch nicht, wie es weitergeht. Die haben Rechnungen zu bezahlen für Lieferungen, die sie für KTM geordert haben. Da wissen wir nicht, ob es nicht dort auch zusätzlich zu Freistellungen kommt, auch wenn sie vorübergehend sind.Ab Montag finden die Betriebsversammlungen durch die Insolvenzexpertinnen der Arbeiterkammer direkt vor Ort bei KTM statt.Die sind ein guter Schritt für die Dienstnehmer, die dort jetzt betroffen sind, damit es zumindest einmal ein bisschen Klarheit gibt, was die Situation für sie heißt. Da geht’s jetzt wirklich einmal darum, zu schauen, wie hoch die Ansprüche sind. Da sind wir als AMS noch gar nicht gefragt.Vor zweieinhalb Wochen wurden die Schwierigkeiten von KTM in der Öffentlichkeit bekannt. Seit wann bereitet sich das AMS vor?Wir hatten im Oktober in Oberösterreich ein Plus von 18 Prozent bei den Vorgemerkten im Vergleich zum Vorjahr. Da war schon klar, dass wir uns rüsten müssen, wenn jetzt die Wintersaisonarbeitslosigkeit auch noch kommt. Wir haben uns also den ganzen November schon darauf fokussiert, was wir machen können – zuerst im kleinen Stil, jetzt im großen.Was darf man sich unter diesen Vorbereitungen vorstellen?Wir rüsten uns, bündeln gerade die Mitarbeitenden und fordern sie auf, uns bekannt zu geben, wer von den Teilzeitkräften Stunden aufstocken kann, wie viele Überstunden gemacht werden können. Andererseits schauen wir uns an, welche Agenden wir jetzt einmal nach hinten schieben können. Was nicht so wichtig ist, stellen wir hinten an. Wir richten jetzt unsere ganze Kapazität auf Arbeitslosmeldungen und in weiterer Folge auf Arbeitslosengeld-Anträge aus. Wir haben deswegen nicht mehr Personal, aber wir bündeln jetzt die Kräfte so wie während der Corona-Zeit, als wir Kurzarbeit und den Anstieg beim Arbeitslosengeld bewältigen mussten. Die Existenzsicherung für die Betroffenen hat oberste Priorität. Die Menschen haben jetzt eh schon genug Unsicherheit.Vieles ist auch für das AMS ungewiss und unsicher.Wir wissen nicht, wann die Menschen genau zu uns kommen. Aber wenn sie dann da sind, müssen wir gerüstet sein, damit wir die Menschen so gut wie möglich ab dem ersten Tag begleiten können. Das tun wir gerade. Wir sind mit anderen Bundesländern, etwa mit Niederösterreich, schon im Austausch, dass die zur Not diese Anträge berechnen. Die Vormerkung muss aber vor Ort passieren. Das heißt: Wir rüsten uns darauf, dass wir auch Teams haben, die in Braunau vor Ort sitzen.Ihr Blick richtet sich aber nicht nur in die Region Braunau.Wir wissen von vielen anderen Unternehmen, die redimensionieren. Wir haben auch andere Regionen, in denen Menschen vorübergehend freigestellt werden. Und auch die müssen wir betreuen. Wir müssen einfach so gerüstet sein, dass wir dort, wo gerade der Hut brennt, vor Ort sein können beziehungsweise im Hintergrund die nötigen Kapazitäten haben, um die Anträge zu berechnen. Das hat jetzt einmal Vorrang.Abseits von KTM haben viele Unternehmen Probleme. Lohnverzicht, reduzierte Arbeitszeiten, aber auch Jobabbau sind Gebote der Stunde.Wir wissen mittlerweile, dass es ein strukturelles Problem in der Industrie ist. Und anders als bei früheren Krisen, in denen man die Menschen relativ leicht in andere Betriebe vermitteln konnte, weil es dort gut lief, ziehen sich die Schwierigkeiten jetzt quer durch. Das wird länger dauern. Jetzt müssen wir Wege finden, wie wir damit umgehen.Nächste Woche gibt es einen Runden Tisch mit dem Land Oberösterreich, AMS, der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer.Die ganz enge Abstimmung zwischen den Sozialpartnern, dem Land und dem AMS braucht es, weil man sich jetzt Gedanken um Stiftungsmodelle machen muss. Wir müssen jetzt die Zeit nutzen, damit wir die Menschen weiterbilden, fit für die Transformation und die neuen Jobs machen. Da wird es jetzt auch vom Bund wahrscheinlich Ideen brauchen, das sind aber nur flankierende Maßnahmen, mit denen die strukturelle Problemlage noch nicht gelöst ist. Wir machen Schadensbegrenzung. Aber wichtig wäre im Vorfeld schon zu schauen, wie unterstützt man den Wirtschaftsstandort, damit jetzt nicht so viele Jobs verloren gehen.