Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat nach seinem Verschwinden erstmals ein Video aus dem entlegenen Straflager „Polarwolf“ im hohen Norden Russlands veröffentlicht. Die Einrichtung gilt als besonders brutal - dennoch witzelte der Putin-Gegner über das Wetter.
Vor wenigen Wochen war Nawalny im Rahmen einer Haftverlegung verschwunden - 20 Tage lang hatten seine Angehörigen keine Nachrichten von dem Häftling erhalten. Als bekannt wurde, dass er im berüchtigten Straflager „Polarwolf“ untergebracht wurde, konnten seine Liebsten etwas aufatmen. Jammern über schlechtes WetterNun konnte sich Nawalny auch in einer Videobotschaft zu Wort melden. Die Aufnahme stammt aus einer Videoschaltung, über die Nawalny bei einem Gerichtstermin in der Region Wladimir unweit von Moskau teilnehmen konnte. Es handelte sich um eine Anhörung zu Nawalnys Beschwerden über seine Haftbedingungen. Er erklärte in dem Clip, dass es ihm gut gehe. „Es gibt nur ein Problem“, ergänzte er. „Ich weiß aber nicht, an welches Gericht ich mich damit wenden soll: Das Wetter ist schlecht“, scherzte der Kreml-Kritiker offensichtlich bei bester Laune.Die Verpflegung kritisierte der Putin-Gegner aber doch. Er bekomme zwei Becher kochendes Wasser und zwei Stücke „ekelhaftes“ Brot. „Ich habe zehn Minuten Zeit zum Essen. Und ich werde gezwungen, mich an diesem kochenden Wasser zu verschlucken.“Schlagabtausch mit RichterMit dem Richter und einem Vertreter des Justizministeriums lieferte er sich eine ausführliche Diskussion über Gefängnisbüchereien, Essens-Arrangements und die Möbelausstattung in den Zellen. Auch in der Vergangenheit hat Nawalny ähnliche Anhörungen oft genutzt, um den Behörden die Stirn zu bieten, seine Widerstandsfähigkeit zu demonstrieren und eine Verbindung zur Außenwelt aufrecht zu halten.Ende Dezember wurde publik, dass der 47-Jährige in das Lager „Polarwolf“ in der Jamal-Region verlegt worden war. Die Strafkolonie ist für besonders schwere Wiederholungstäter vorgesehen. Aufgrund der Abgelegenheit und der eisigen Temperaturen sei eine Flucht de facto nicht möglich. „Auf der einen Seite liegen Hunderte Kilometer Tundra, auf der anderen Seite des Straflagers ist die Gebirgskette Polarural“, erklärte ein ehemaliger Mitarbeiter Nawalnys.Kälte, Folter und MisshandlungenDie Bedingungen werden als erbarmungslos beschrieben. So berichtete ein Häftling, dass es in seiner Zelle weder warmes Wasser noch Fenster gegeben habe. Kaputte Kleidung sei nicht ersetzt worden, er sei daher laufend krank geworden. Ein weiterer Insasse schilderte Missbrauch und Folter in der Einrichtung: „Bei meiner Ankunft musste ich mich auf den Boden legen und sie schlugen mit Schlagstöcken und Fäusten auf mein Gesäß, meinen Kopf, mein Gesicht und meine Rippen. Sie haben keine medizinische Hilfe geleistet.“Wegen Lappalie in Isolationshaft gestecktAuch Nawalny selbst bekam bereits die Härte des berüchtigten Straflagers zu spüren. Weil er sich nicht richtig vorgestellt habe, sei er zu sieben Tagen Isolationshaft verurteilt worden, teilte er kürzlich mit.Unterstützer rufen zu Protesten aufZum Jahrestag seiner Inhaftierung am 21. Jänner riefen Anhänger Nawalnys unterdessen zu Demonstrationen auf. „Lasst Putin nicht gewinnen“, forderte der Chefstratege des Putin-Kritikers auf seinem Telegram-Kanal. Proteste sind wegen der enormen Repressionen in Russland nur im Ausland geplant.